Ein modernes Märchen an einem ganz gewöhnlichen Dinner-Meeting

Unser Präsident Carlo gab sich verschwiegen bis zuletzt. Das gestrige Dinner-Meeting des Männerclubs Kloten hat Carlo als „Überraschungsdinner mit Damen“ angekündigt. In der Einladung liess der Präsident lediglich verlauten, dass es sich um einen Activity-Anlass handle, der einerseits viel Spass verspreche und sich andererseits im Stand unseres Activity-Kontos niederschlagen werde.  Der Zusatz „mit Damen“ in der Einladung bedeutet bei uns, dass die Ehefrauen und Partnerinnen ebenfalls eingeladen sind. Das kommt im Durchschnitt vier bis sechs Mal pro Jahr vor.

Der Präsident führt in den Abend ein

Der Präsident führt in den Abend ein

Nach der Eröffnung des Anlasses durch die Glocke informierte der Präsident, dass ihn eine uns allen gute Bekannte gebeten habe, im Club ein Anliegen vortragen zu dürfen. Er, der Präsident, habe entschieden, ihr gleich den ganzen Abend zur Verfügung zu stellen. Worum es genau gehe, das sage uns die gute Bekannte gleich selber.

Da drehten sich die Rädchen in den Köpfen der anwesenden Mitglieder und ihren Frauen aber förmlich hörbar: „Wer ist denn diese Frau? Wo ist sie? Wartet sie draussen?“. Es erhob sich Marlies, die Ehefrau unseres Doyen, und trat an das Rednerpult. Sie verglich ihren Auftritt mit dem Besuch der alten Dame in Dürrenmatts gleichnamiger Tragikomödie. Wir erinnern uns: Claire Wäscher erfuhr als junges Mädchen Unrecht, musste ihre Heimat verlassen und kehrte als Milliardärin Claire Zachanassian zurück, um Rache zu üben, indem sie ihrem Geburtsort eine Spende in der Höhe einer Milliarde anbot, allerdings unter schrecklichen Auflagen.

Der Besuch der alten Dame

Der Besuch der alten Dame

Unser Besuch, die „alte Dame“ Marlies, beruhigte uns jedoch, dass sie nicht gekommen sei, um zu intrigieren und auch nicht als Milliardärin. Ihre Schwester habe ihr keine Milliarden hinterlassen, aber dennoch genug, damit auch der Lionsclub Kloten etwas davon profitieren dürfe. Ihr Mann Werner wusste von alle dem nichts. Er hat offenbar in den letzten Jahren durch seinen unermüdlichen Einsatz für den Club bei seiner Marlies den Eindruck hinterlassen, dass ein Lionsclub es Wert sei, unterstützt zu werden. Marlies hat verstanden, dass Lions Gutes tun, lokal in der Umgebung als auch weltweit in internationalen Projekten, wie z.B. Sight First. Daher bot sie dem Lionsclub Kloten einen noch nicht festgelegten Betrag aus dem Nachlass ihrer Schwester an.

Der Betrag ergebe sich wie folgt, las Marlies teils in Hochdeutsch vor, teils erläuterte sie es in „rüüdigem“ Luzernerisch: Sie beginne mit einem Grundstock von 3000 Franken. Jeden weiteren Franken müssten die Mitglieder des Clubs nun „mühsam“ selber erarbeiten. Zunächst gebe sie für jedes Lebensjahr der Mitglieder einen Franken, wohl als Abgeltung der Bürden, die ein jeder innerhalb eines Lebensjahres erfahren musste. So kamen weitere 1000 Franken zusammen. Ab hier müssten die Männer in einer Art Postenlauf mit zehn Stationen Punkte erwerben, die jeder je einen Franken wert seien, beschrieb Marlies den weiteren Verlauf des Abends.

Der Doyen an einem Posten

Der Doyen an einem Posten

Was nun folgte, war sehr unterhaltend. Marlies und ihre eingeweihten Helferinnen hatten während des Essens in der Lobby des Hotels zehn Stehtischchen verteilt und auf jeden die Utensilien gelegt, die es brauchte, um eine Aufgabe zu lösen. Dann hat sie die Frauen der Mitglieder dahingehend instruiert, dass sie als Postenchefs eingesetzt werden konnten; jede nach ihren Fähigkeiten. Die Jodlerin Maja übernahm den Musikposten, an welchem man Titel, Noten und Tonart eines bekannten Lieds identifizieren musste. Die begnadeten Handarbeiterinnen Margrit und Anes brachten den Männern kurz Stricken und Häkeln bei. Jede Masche, die innerhalb 30 Sekunden „gemacht“ werden konnte, gab einen Punkt. Die Jasserin Barbara fragte, wie viele Punkte ein bestimmtes Spiel zähle. Die Unternehmerin  Sonja wollte wissen, wie viel anderthalb Drittel eines Fünflibers seien und die Gärtnerin Hanni legte fünf Kräuter vor, die man bestimmen musste. Schliesslich liess die sportliche Susanne Dartpfeile verschiessen und Bälle in einen Korb werfen.

Die Siegerehrung

Die Siegerehrung

Nachdem alle den Postenlauf beendet hatten, waren sie auf das Resultat gespannt. Während der Kaffee serviert wurde, rechnete „die alte Dame“ die Punkte zusammen, die die Männer erarbeiteten und bestimmte den Sieger. Hansruedi und Albert wurden mit dem Siegertitel geehrt. Was aber wichtiger war: Der Gesamtbetrag erhöhte sich auf 6500 Franken, die uns „der Besuch der alten Dame“ in die Activity-Kasse spülte. Und das ganz ohne weitere zweifelhaften Auflagen, wie in Dürrenmatts Vorbild. Damit dürfte Marlies eher mit der mutigen Helene Keller verglichen werden, als mit Claire Zachanassian. Helene Keller, eine amerikanische taubblinde Frau, hielt 1925 vor dem Lions-Jahreskongress eine flammende Rede, in welchem sie die ausschliesslich männlichen Lions aufforderte, Ritter der Blinden im Kreuzzug gegen die Dunkelheit zu werden.

Der Präsident bedankt sich

Der Präsident bedankt sich

Das ist eine wunderbare Geste von Marlies und Werner. Vielen Dank, Marlies, dass Du so selbstlos an uns gedacht und uns einen solch märchenhaften Abend beschert hast! Dieser wundervolle Abend wird in unserer Clubgeschichte immer einen Ehrenplatz einnehmen.

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